Schlagwörter: Arbeitspolitik,Dienstleistungsarbeit,KundInnen / KonsumentInnen
Projektlaufzeit: 01.05.2020 - 30.04.2023
Bundesministerium für Bildung und Forschung, Europäische Union, Europäischer Sozialfonds
Das Projekt geht am Beispiel des Einzelhandels der Frage nach, wie Interaktionen zwischen Beschäftigen und ihrer Kundschaft so gestaltet werden können, dass gegenseitiger Respekt erzeugt bzw. gefördert wird.
Ziel des Projektes ist es, die Rahmenbedingungen der Dienstleistungsinteraktion wie auch das konkrete Verhalten von Dienstleistenden und ihrer Kundschaft so zu gestalten, dass gegenseitiger Respekt erzeugt bzw. gefördert wird. Es geht vor allem darum, Voraussetzungen für respektvolle Interaktionen zu schaffen. Wissenschaftlich soll der Frage nachgegangen werden, wie sich Respekt (bzw. respektloser Umgang) entwickelt und wie die Beschäftigten, die Betriebe, auch die Branchenvertretungen und die Gesellschaft eine neue Einstellung zu Respekt in der Interaktion zwischen Kund*in und Dienstleister*in entwickeln können.
Problemstellung
In vielen Dienstleistungsberufen nimmt der direkte Umgang mit Kund*innen einen großen Teil der Arbeit ein. Beschäftigte berichten in den letzten Jahren dabei von einer zunehmenden Respektlosigkeit der Kund*innen, die in einem fordernden oder gar herausfordernden Verhalten mündet. Aber auch Kund*innen fühlen sich oftmals nicht respektvoll behandelt, wenn es etwa um die sorgfältige und umsichtige Behandlung ihrer Anliegen geht. Es entsteht ein Teufelskreis aus gegenseitigen Respektlosigkeiten, die sich bis zu aggressivem Verhalten aufschaukeln können. Dies ist für die Beschäftigten auf Dauer eine höchst belastende Situation – und hat für die Dienstleistungsunternehmen erhebliche negative Auswirkungen auf Produktivität und Qualität. Das zugrundeliegende Phänomen des (mangelnden) gegenseitigen Respekts ist bislang in der Arbeits- und Dienstleistungsforschung noch nicht thematisiert worden. Diese Forschungs- und Gestaltungslücke soll durch das Vorhaben geschlossen werden.
Das Projekt geht am Beispiel des Einzelhandels der Frage nach, wie Interaktionen zwischen Beschäftigen und ihrer Kundschaft so gestaltet werden können, dass gegenseitiger Respekt erzeugt bzw. gefördert wird. Der Einzelhandel ist mit ca. 300.000 Unternehmen, gut 480 Mrd. Euro Jahresumsatz, knapp drei Mio. Beschäftigten und etwa 160.000 Auszubildenden der drittgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland. Aber: Die Branche ist seit Langem durch massiven Wettbewerb, fortschreitende Konzentration, Flächenexpansion und einen sinkenden Anteil am privaten Konsum geprägt. Zudem stagnieren seit Jahren die Umsätze im Handel, mit Ausnahme des Online-Handels. Ferner forciert die fortschreitende Digitalisierung den Strukturwandel im Handel und beeinflusst dessen Zukunft.
Respekt und Respektlosigkeit werden von Unternehmen und Beschäftigten im Einzelhandel in den letzten Jahren immer häufiger thematisiert. Die oben beschriebene „Verrohung“ führt in den Unternehmen auch zu Personalproblemen, die im Zeitalter des Fachkräftemangels nicht mehr über den Arbeitsmarkt gelöst werden können.
Sowohl für die Beratung von Beschäftigten als auch Betrieben fehlen bisher ausreichende, praxisgerechte Konzepte zur Bearbeitung dieser speziellen Thematik. Betriebliche Akteur*innen sehen sich hier häufig kaum in der Lage, den damit verbundenen Herausforderungen adäquat zu begegnen. Das betrifft sowohl die angemessene Erfassung und Beschreibung konflikthafter Situationen als auch die Einordnung vor dem Hintergrund eines Grundverständnisses von Professionalität in Dienstleistungsbeziehungen mit Kund*innen sowie die Entwicklung und Umsetzung angemessener Maßnahmen zur Vermeidung und Schlichtung von Konflikten mit der Kundschaft und zur erforderlichen Unterstützung der Beschäftigten.
Beschäftigte personalisieren ihre Schwierigkeiten im Umgang mit Kundschaft häufig und erleben die Konflikte als persönliches Versagen bzw. sehen die „Schuld“ bei der Kundschaft. Sie stehen vor dem Dilemma, sich entweder aggressiv gegenüber der Kundschaft zu verhalten – was der Kund*innenorientierung in den Unternehmen widerspricht und in der Regel die Problematik eher verstärkt – oder das erlebte „Scheitern“ bei der Arbeit als eigenes Verschulden wahrzunehmen. Beides führt zu einem Verlust des eigenen Selbstwirksamkeitsgefühls und damit zu einer wahrgenommenen Entwertung der eigenen professionellen Kompetenz. Auf längere Sicht kann sich das einerseits negativ auf die (v.a. psychische) Gesundheit auswirken, andererseits kann es dazu führen, dass Beschäftigte den Beruf wechseln. Damit gehen sie als Fachkräfte dem Arbeitsmarkt verloren.
Idee
Ziel des Projektes ist es, die Rahmenbedingungen der Dienstleistungsinteraktion wie auch das konkrete Verhalten von Dienstleistenden und ihrer Kundschaft so zu gestalten, dass gegenseitiger Respekt erzeugt bzw. gefördert wird. Es geht also nicht darum, Dienstleistungspersonal fit zu machen für respektlose Kund*innen, sondern darum, Voraussetzungen für respektvolle Interaktion zu schaffen.
Im Projekt sollen daher konkrete Maßnahmen und Empfehlungen entwickelt werden, wie Beschäftigte in der Interaktion mit Kund*innen, aber auch die Dienstleistungsunternehmen einen respektvollen Umgang mit ihrer Kundschaft etablieren können. Dabei geht es um die Gestaltung der Interaktion selbst (Wie gibt man Respekt, wie fordert man Respekt ein?) wie auch der betrieblichen Rahmenbedingungen. Wissenschaftlich soll der Frage nachgegangen werden, wie sich Respekt (bzw. respektloser Umgang) entwickelt und wie die Beschäftigten, die Betriebe und auch Branchenvertretungen bzw. die Gesellschaft eine neue Einstellung zu Respekt in der Interaktion Kund*in – Dienstleister*in entwickeln können.
Wesentliche Ziele des Projekts liegen in der Verbesserung der Arbeits- und Dienstleistungsqualität durch eine respektvolle Interaktion. Vier Themenfelder stehen dabei im Vordergrund. Sie beziehen sich auf die Kundschaft, die betrieblichen Akteur*innen, die betriebliche Organisation und den Einsatz von Technik. Im Hinblick auf konkrete Gestaltungsmaßnahmen sollen im Projekt zu den Hauptzielen folgende Themen und Fragestellungen verfolgt werden:
Geplante Ergebnisse
Im Ergebnis sollen praxisfähige und auf andere Branchen übertragbare Informations-, Bildungs- und Beratungsprodukte entwickelt werden, die respektvolle Interaktion auf verschiedenen Interventionsebenen unterstützen.
Das Projekt soll nachhaltige Wirkungen für Betriebe und Beschäftigte und auch auf gesellschaftlicher Ebene erzeugen. Daher sollen die Ergebnisse und Erfahrungen des Projektes in praxisfähige und damit unmittelbar nutzbare Produkte überführt werden, die u.a. von den institutionellen Partner*innen (ver.di und Handelsverband) in die Fläche der Branchen transferiert werden können.
Folgende Produkte sollen erstellt werden:
Das Projekt „RespectWork“ zielt auf eine empirische Analyse der Strukturen, Prozesse und Arbeitsbedingungen von Dienstleistungsarbeit unter Berücksichtigung des digitalen Wandels. Es will Maßnahmen und Angebote zur breiten Unterstützung des operativen Geschäfts, zur Kompetenzentwicklung und zur Arbeitsgestaltung entwickeln.
In der ersten Phase (Erhebung) erfolgt die Analyse von Arbeitsstrukturen, Arbeitsbedingungen und Interaktionssituationen entlang der Dienstleistungsbeziehungen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen auch konkrete Veränderungen durch digitalisierte Arbeitsprozesse, Anforderungen und Kompetenzprofile verschiedener Beschäftigtengruppen in den Unternehmen.
Die notwendigen Arbeitsschritte in der ersten Phase sind wissenschaftliche Recherchearbeiten, Interviews, Kurzfallstudien und ausführlichere Fallanalysen. Die Analyseergebnisse werden in eine genaue Bedarfsbeschreibung für die Instrumentenentwicklung überführt.
Auf dieser Basis werden in der zweiten Phase (Entwicklung) bedarfsgerechte Konzepte zum respektvollen Umgang in der Dienstleistungsarbeit entwickelt: Organisationale Interventionen für Betriebe, d.h. ein Handlungsmodell für Unternehmen zur Gestaltung respektvoller Interaktionen, und Kompetenzentwicklungsstrategien, d.h. ein konkretes digitales Weiterbildungsangebot für die Beschäftigten. Die Informations-, Bildungs- und Beratungsangebote werden im Rahmen eines Vorgehensmodells kombiniert und so die organisationale Intervention mit individueller Weiterbildung integriert.
In der dritten Phase (Erprobung) werden die Ansätze angewendet und getestet. Dies erfolgt in drei Schritten: In der Alphaphase werden einzelne Module in den Partnerunternehmen erprobt. In der Betaphase erfolgt die Einführung des Gesamtansatzes bei den Betrieben. Auf der Basis einer formativen Evaluation werden kurzzyklische Optimierungen an einzelnen Modulen und Prozessen umgesetzt.
Der Transfer (Phase vier) erfolgt durch mediale Information, Veranstaltungen und Publikation sowie die Zusammenarbeit mit Verbänden, Gewerkschaften und Netzwerken. Die im Projekt entwickelten Produkte sollen bereits während der Laufzeit des Projektes in die Einzelhandelsbranche und nach Projektende in andere Dienstleistungsbereiche transferiert werden.
Die aus den einzelnen Phasen resultierenden Maßnahmen werden durch ein interdisziplinäres Team (Sozialwissenschaft, Psychologie, Betriebswirtschaft, Arbeitswissenschaft) in enger Kooperation mit der Praxis und Verbänden sowie Gewerkschaften bearbeitet.