Betriebsratsarbeit im Niedriglohnsektor
Eine Fallstudie in der Systemgastronomie
Wenn allenthalben die Heraufkunft der "Wissensgesellschaft" und
der Trend zur hochqualifizierten "Wissensarbeit" gefeiert werden,
wird es Zeit, auch (wieder) einmal darauf hinzuweisen, dass am
anderen Ende des Spektrums zahlreiche Arbeitsplätze existieren
und neu entstehen, die keineswegs dem öffentlichen Idealbild entsprechen.
Im Gegenteil: Gerade im Dienstleistungsbereich scheint
heute das Leitbild des Taylorismus mit weitgehender Aufspaltung
der Tätigkeiten in kleinste Teilverrichtungen und strikter Trennung
von Anweisung und Ausführung einen neuen Aufschwung zu erfahren.
Ein besonders schlagendes Beispiel dafür ist die so genannte Systemgastronomie,
d.h. Restaurant-, Café- und Bistroketten mit einheitlichem
Erscheinungsbild und hoch standardisierten, schnell
zubereiteten Angeboten. Ein großer Teil dieser Betriebe zählt zum
Niedriglohnbereich mit prekären Arbeitsverhältnissen, schlechten
Arbeitsbedingungen und autoritärem Management, das alles daran
setzt, wirksame Mitbestimmungsstrukturen zu verhindern.
Die Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten kämpft seit
Jahren um die Anerkennung von Tarifverträgen und die Einrichtung
von Betriebsräten in der Systemgastronomie. Dabei hat sie
nicht nur mit dem entschiedenen Widerstand der Arbeitgeberseite
zu kämpfen. Die äußerst heterogen zusammengesetzten Belegschaften
tun sich schwer, ein gemeinsames Verständnis ihrer Interessen
zu entwickeln.
Hier setzt die vorliegende Fallstudie an. Grundlage bildet eine soziologische
Diplomarbeit des Autors Nils Nolting, für die Interviews
geführt wurden mit Betriebsratsmitgliedern und GewerkschaftssekretärInnen.
Die Studie zeigt anschaulich, wie schwierig es ist,
unter Bedingungen eines weitgehend deregulierten Niedriglohnsektors
gegen ein gewerkschaftsfeindliches Management kollektives
Interessenhandeln der Beschäftigten zu entwickeln, um Mindestbedingungen
für eine humane Arbeit durchzusetzen. Die Analyse
zeigt aber auch, dass Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaft
ein hohes Maß an Kreativität entwickeln und immer wieder
mit z.T. phantasievollen Aktionen für ihre Interessen eintreten.
Hieraus können durchaus weitergehende Schlussfolgerungen für
eine Belebung der Gewerkschaftsarbeit insgesamt gezogen werden.
Bibliographische Angaben:
Nolting, Nils J.:
Betriebsratsarbeit im Niedriglohnsektor
Eine Fallstudie in der Systemgastronomie;
In: Kooperationsstelle Wissenschaft - Arbeitswelt (Hrsg.): ;
Dortmund: sfs Beiträge aus der Forschung, 2004
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